Prof. Gerhard Ertl erhält den Chemie-Nobelpreis

Datum: 10. Oktober 2007
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Erst durch seine Grundlagenforschung zur Oberflächenchemie wird die Funktion von Auto-Katalysatoren verständlich. Gerhard Ertl ist nach dem Physiker Peter Grünberg der zweite deutsche Nobelpreisträger dieses Jahres. Ertl bekommt die Auszeichnung in Chemie.

Stockholm - Ausgerechnet an seinem 71. Geburtstag bekam Ertl den Anruf aus Stockholm: Der Forscher des Fritz-Haber-Instituts der Max-Planck-Gesellschaft ist Träger des Chemie-Nobelpreises 2007. Wie die Königlich-Schwedische Akademie der Wissenschaften am heutigen Mittwoch in Stockholm mitteilte, erhält der Chemiker die Ehrung "für seine Studien von chemischen Verfahren auf festen Oberflächen".

Das Nobel-Komitee bezeichnete Ertls Forschung als wichtig für die chemische Industrie. "Sie kann uns helfen, so unterschiedliche Vorgänge wie das Rosten von Eisen und die Arbeitsweise von Brennstoffzellen oder Katalysatoren in unseren Autos zu verstehen." Oberflächenchemische Katalysatoren seien in vielen industriellen Verfahren ausschlaggebend, unter anderem bei der Herstellung von Kunstdünger. Mit der Oberflächenchemie lasse sich auch der Abbau der Ozonschicht erklären.

In einer ersten Reaktion zeigte sich Ertl überglücklich. "Das ich mit dem Preis gerechnet habe, kann man nicht sagen. Ich wusste aber, dass ich auf der Liste der Kandidaten stehe." Trotzdem habe es ihm die Sprache verschlagen, als er von seiner Auszeichnung erfahren habe. Immerhin habe er vom Preiskomitee 20 Minuten Zeit bekommen, sich zu sammeln und sich auf den Presseansturm einzustellen. Jetzt klingele das Telefon ohne Unterlass. Er hätte sich nicht vorstellen können, was es für einen Ansturm gebe, sagte Ertl. Alle seine Mitarbeiter hätten sich auf dem Gang vor seinem Büro versammelt, um mit ihm mit Sekt auf den Nobelpreis anzustoßen.

Jubel in Berlin

"Alle haben gejubelt und getanzt", sagte Beatrix Wieczorek, Sprecherin des Berliner Fritz-Haber-Instituts, kurz nach der Preis-Bekanntgabe im Gespräch mit SPIEGEL ONLINE. "Das war lange erwünscht und herbeigesehnt." Ertls Ehefrau war unmittelbar nach der Bekanntgabe der Auszeichnung an ihren Mann vollkommen atemlos: "Da wird der Hund in der Pfanne verrückt", sagte sie in Berlin am Telefon.

Ihr Mann sei am Morgen wie üblich und vollkommen entspannt ins Büro gefahren. Sie könne es noch nicht glauben, dass er den Nobelpreis bekommen habe. Für den heutigen Geburtstag ihres Mannes habe sie noch gar keine Vorbereitungen getroffen.

Bereits 1998 hatte Ertl den Wolf-Preis für Chemie erhalten, gemeinsam mit Gabor Somorjai von der University of California in Berkeley. Auch dabei ging es um die Forschungsarbeiten zur Klärung katalytischer Reaktionen auf Kristalloberflächen.

Katalyseforschung wurde bis dahin vor allem empirisch betrieben. Erst die detaillierte Untersuchung der Elementarschritte von Katalyseprozessen, durchgeführt unter anderem am Berliner Fritz-Haber-Institut für physikalische Chemie, brachte den Durchbruch. Ertl selbst sagte, es sei gelungen, die Katalyseforschung allmählich "von einer schwarzen Kunst in eine exakte Wissenschaft" zu überführen.

Große wirtschaftliche Bedeutung

Chemische Reaktionen, die durch die Wirkung von Katalysatoren beschleunigt werden, haben eine große wirtschaftliche Bedeutung, etwa bei der Erdölverarbeitung - dem sogenannten Cracken langer Kohlenwasserstoffketten. Auch moderne Autos nutzen Katalysatoren, um den Schadstoffanteil in den Abgasen zu reduzieren.

Ertl ist emeritierter Direktor des Fritz-Haber-Instituts, das er von 1986 bis 2004 geleitet hat. Zuvor lehrte er in Kalifornien und lange Jahre an der Technischen Universität München. Am gestrigen Dienstag hatte bereits der Deutsche Peter Grünberg gemeinsam mit dem Franzosen Albert Fert den Nobelpreis für Physik erhalten. Die beiden Forscher wurden für die Entdeckung des Riesenmagneto-Widerstandseffekts geehrt, mit dem sich die Kapazität von Computerfestplatten in den vergangenen Jahren enorm steigern ließ.

Die mit umgerechnet 1,1 Millionen Euro dotierten Nobelpreise werden am 10. Dezember, dem Todestag des Stifters Alfred Nobel, offiziell überreicht.

mbe/ddp/AFP/dpa/AP
Quelle: "Der Spiegel", 10.10.2007

Kategorie:Ämter, Aufgaben & Ehrungen
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