Die geplanten Schließung der Landwirtschaftlich-Gärtnerischen Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin

Offener Brief der Berliner Wissenschaftlichen Gesellschaft vom 26.01.2004

An:

  • Herrn Prof. Dr. Jürgen Mlynek, Präsident der Humboldt Universität zu Berlin,
  • Herrn Dr. Thomas Flierl, Senator für Wissenschaft, Forschung und Kultur,
  • Herrn Dr. Thilo Sarrazin, Senator für Finanzen,
  • Herrn Harald Wolf, Bürgermeister und Senator für Wirtschaft, Arbeit und Frauen

zur geplanten Schließung der Landwirtschaftlich-Gärtnerischen Fakultät
der Humboldt-Universität zu Berlin

die Berliner Wissenschaftliche Gesellschaft (BWG) hat es sich als gemeinnütziger Verein namhafter interdisziplinär tätiger Wissenschaftler Berlins und des Umlandes seit ihrem Bestehen bis zum heutigen Tage auch zur Aufgabe gemacht, Entwicklungen in der Berliner Wissenschafts- und Hochschullandschaft aufmerksam zu verfolgen, eingehend zu analysieren, eigene Gestaltungsvorschläge zu Gehör oder zu Papier zu bringen und die politisch Verantwortlichen zu beraten. In dieser Funktion hat sich die BWG gerade in jüngster Vergangenheit zu grundsätzlichen und speziellen Fragen der Wissenschafts- und Hochschulpolitik unter den Sparzwängen des Senats geäußert (Podiumsdiskussionen vom 27. 6. und 27. 11. 2003) und einen Arbeitskreis „Wissenschaft- und Hochschulpolitik" ins Leben gerufen.

Nun erreicht uns die Mitteilung, dass in den „Eckpunkten der Strukturplanung" des Präsidenten der Humboldt-Universität zu Berlin vorgeschlagen worden ist, die Landwirtschaftlich-Gärtnerische Fakultät der HUB zu schließen. Dieser Vorschlag stößt auf Unverständnis und Ablehnung auch in den Reihen der BWG, zu der unter anderen auch namhafte Vertreter der Landwirtschafts, - Veterinär- und Betriebswirtschaftswissenschaften aus Berlin und der Umgebung zählen, ebenso wie solche der Biotechnologie und Lebensmittelkunde.

Der Erhalt der traditionsreichen und renommierten Fakultät, der weltberühmten Schule Albrecht Daniel Thaers, des Begründers der modernen Agrarwissenschaften, stellt sowohl für die wissenschaftlichen Kenntnis- und Erfahrungsträger aller implizierten agrarischen Fachbereiche, als auch für die Unternehmen und Vertreter aus der praktischen Tier- und Pflanzenproduktion eine conditio sine qua non dar!

Ich erlaube mir, Ihnen noch einmal die entscheidenden Gründe darzulegen, die auch aus der Sicht der BWG für den Erhalt der Fakultät sprechen:

1.) Die Berliner Landwirtschaftlich-Gärtnerische Fakultät der Humboldt-Universität (LGF) ist als Kompetenzzentrum in den Bereichen Ausbildung, Forschung, Beratung und Entwicklung national und international in hohem Maße anerkannt und gilt als Vorbild einer gelungenen Umgestaltung im wiedervereinigten Deutschland. Sie hat in den vergangenen Jahren ihre Ausbildungsstruktur den ökonomischen Zwängen folgend stark gestrafft und vollständig auf international anerkannte Studiengänge und Standards umgestellt. Damit hat sie als erste in Deutschland hierfür die Akkreditierung erhalten. Die 1500 Studierenden, die vor allem aus den östlichen, aber auch aus den westlichen Teilen unseres Landes und aus der ganzen Welt kommen, nutzen das Angebot von zehn Studiengängen, von denen z. B. die Fischwirtschaft und die Wässerbewirtschaftung bundesweit einmalig sind. Nach den unangemessenen Kürzungen der Agrarfakultäten in Halle und Rostock ist die LGF die einzige noch verbliebene Agrarfakultät in Ostdeutschland, an der ein komplettes System agrar- und gartenbauwissenschaftlicher Ausbildungsgänge aufrecht erhalten werden konnte.

2.) Eine aus externen Experten bestehende Gutachterkommission hat sich in ihrem Bericht vom 23. 10. 2003 zur Forschungsevaluierung unmissverständlich für den Fortbestand der LFG als Ganzes ausgesprochen und ist im Einzelnen zu der Feststellung gelangt, dass die Fakultät ein attraktives Studienangebot vorzuweisen hat, das von den Studierenden gut angenommen werde (wie die hohen Anfängerzahlen und der Anstieg der Absolventenzahlen im Studienjahr 2002/2003 um 50 % belegen), dass gerade der Bereich Wirtschafts- und Sozialwissenschaften der LFG zu den drei besten unter den Agrarfakultäten in Deutschland zähle und dass die Nähe zu agrarischen Großforschungseinrichtungen der Region (z. B. Max-Planck-Institut für Molekulare Pflanzenphysiologie in Golm; Institut für Ernährungsforschung Potsdam-Rehbrücke) und zu Bundesinstituten in Berlin (z. B. Bundesinstitut für Risikobewertung; Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit) hervorragende Kooperations-möglichkeiten gegeben seien.

3.) Der Verzicht auf eine LGF hätte auch unmittelbare negative Auswirkungen auf eine notwendige Zusammenarbeit zwischen dieser Fakultät und dem Fachbereich Veterinärmedizin an der FU Berlin. Die Veterinärmedizin verlöre ihren natürlichen Kooperationspartner, der gerade in einer Zeit der politisch gewollten Weichenstellung in der landwirtschaftlichen Produktion aus wissenschaftlicher Sicht (Verbraucherschutz) dringend erforderlich ist. Der Universitätsstandort Berlin würde zudem den Charakter der Volluniversität verlieren, weil eine klassische Ausbildungsrichtung nicht mehr vertreten wäre.

4.) Die zentrale Lage der Berliner LGF in unmittelbarer Nachbarschaft zu einigen besonders agrarisch orientierten neuen Bundesländern einschließlich des Landes Brandenburg, das bekanntlich bei der Gründung seiner Universität in Potsdam im Hinblick auf eine geplante Fusion mit dem Land Berlin auf den Ausbau einer eigenen Agrarwissenschaftlichen Fakultät verzichtet hatte, ist ein wesentliches Argument für den Fortbestand der LGF.

5.) Und schließlich ist die Existenz der Internationalen Grünen Woche in Berlin mit ihren modernen Ausstellungs- und praktisch-wissenschaftlichen Demonstrationsmöglichkeiten ein ganz gewichtiger Gesichtspunkt, der für die Erhaltung der landwirtschaftlich-gärtnerischen Forschungs- und Lehreinrichtung in Berlin spricht, ebenso wie der Standort Berlin als Bundeshauptstadt mit dem Potential einer speziellen Expertise und Politikberatung durch die LGF.

Der Vorstand und Beirat der BWG bittet Sie sich für den Fortbestand dieser wichtigen universitären Einrichtung Deutschlands einzusetzen. Namhafte Fachkollegen aus der BWG stehen Ihnen zur Beratung jederzeit gern zur Verfügung.